Der Steinkohlenbergbau in und um Grossau

"Der Schauflerbauer führte Großauer Kohle mit seinem blinden Pferd. Einst zur Tränkzeit beim Heiligbrünnl in der Letten im Raum Soos bespöttelte Schaufler die Wunderkraft dieser Quelle. Seither führte das sehende Roß den blinden Schaufler, bis ein Wassereinbruch in der Grube das Kohlenführen beendete." 1) Diese Legende widergibt das Auf und Ab des Kohlenbergbaues, wobei die guten Jahre mit dem Kohlen"führen" und die schlechten Jahre mit dem Wassereinbruch gleichzusetzen sind.

Der Beginn des Kohlenbergbaues dürfte in der Mitte des 18. Jahrhunderts liegen. Zu dieser Zeit waren die umliegenden Wälder soweit abgeholzt, daß ein großer Holzkohlenmangel herrschte. Mit Remunerationen von seiten der Regierung versuchte man die Gewerbetreibenden umzustimmen, anstatt der Holzkohle die Mineralkohle zu verfeuern. Eine intensive Suche nach Mineralkohle begann. So kam es, daß man zu dieser Zeit das Großauer Kohlevorkommen entdeckte. In einem Bericht der geologischen Bundesanstalt in Wien wird angeführt, daß bereits 1754 2) zahlreiche Baue in Großau umgegangen sein sollen. Diese Bergaktivität setzte sich dann mit Unterbrechungen bis ins 20. Jahrhundert fort.

Dieser Stollen wurde beim Ausbau der Landeshauptstraße 86 entdeckt.In der Glanzzeit des Großauer Bergbaues um 1850 wurde auf sechs Flöze gebaut, die wie folgt bezeichnet wurden:

Um diese Flöze abbauen zu können, gab es eine Vielzahl von Stollen und Schächten, deren Namen lauteten: Heinrich-, Dreifaltigkeits-, Francisca-, Großauer-, Aloisia-I-, Johanni-, Alt-Josefi-, Michaeli-, Keller-, Mariahilf-, Aloisia-II-, Ferdinandi-, Barbara- sowie Mathiasstollen im Schreigraben am westlichen Gehänge des Roßkopfes und der Olgastollen am Weidenberg; letztere Stollen waren noch 1863 in Betrieb. 3) (Siehe auch Grubenkarte auf Seite 63)

Gausterer-, Eleonora-, Hermani- und Josefischacht

W. C. Blumenbach führt 1830 in seiner "Neuesten Landeskunde von Österreich unter der Enns" an, daß der Großauer Bergbau an der oberösterreichischen Grenze unter allen "in Österreich bekannten Steinkohlen den besten Coaks für Feuerarbeit" geliefert haben soll. Diese Kohle wurde meist nach Wien geliefert. Neben Wien gab es aber auch Absatz nach Steyr, Waidhofen an der Ybbs, St. Peter in der Au und Linz, und auch die Donau-Dampf-schiffahrts-Gesellschaft war Abnehmer, neben den in der Umgebung liegenden Hämmern und Kleinschmieden. Die Kohle wurde u. a. über St. Peter nach Wallsee mittels Ochsen- bzw. Pferdefuhrwerken und von dort mittels Kähnen nach Wien gebracht.

So ist im Handbuch über den montanistischen Staatsbeamten-Gewerken- und gewerkschaftlichen Beamtenstand des österr. Kaisertums für das Jahr 1849 zu lesen, daß es in Großau nebst Soos nachfolgende Kohlenproduktion gegeben hat (in Zentnern ausgedrückt):

1842: 21521
1843: 46157
1844: 54655
1845: 46353
1846: 33700
1847: 63100

Weiters wird angeführt, daß Großau der zweitgrößte Betrieb in Österreich, Kreis ober dem Wienerwald war.

Nicht unerwähnt darf die Tatsache bleiben, daß die Grubenhäuer überwiegend aus den traditionellen Kohlenrevieren, wie Böhmen, Schlesien, zuwanderten (diese lehrten den Einheimischen die Bergbaukunst), wie Kaplan Schlögelhofer aus den Sterbe- und Trauungsbüchern herausfand. Darüber hinaus konnte er herausfinden, daß es am 26. 8. 1850 ein Grubenunglück gegeben hatte, das durch "Mangel an Lebensluft" in einem Schacht verursacht worden war. Folgende Bergleute kamen durch Einatmen von CO2 um (CO2 ist schwerer als Luft und sammelt sich am tiefsten Punkt, z. B. in einem Schacht): Mathias Lutzak, Gedingehauer; Anton Assendorfer, Bergarbeiter, und Wenzel Müller, Gedingehauer.

Folgende Beamte werden im Handbuch für das Jahr 1847 angeführt: Bergverwalter Ferdinand Lehner, Obersteiger Franz Plyva, Bergschreiber Franz Schmidt, Magazinör Peter Trötscher in Wallsee.

Das Auf und Ab des Kohlebergbaues war durch den Mangel an technischer Ausrüstung, das Fehlen von Fachleuten, die immer stärker auf den Markt drängende schlesische Kohle und durch den Niedergang der Kleineisenindustrie begründet.

Sporadisch findet man heute noch Hinweise auf den Großauer Steinkohlebergbau, der in den sogenannten Lias- bzw. Grestener Schichten umgegangen ist. So wird in einem Brief von der Hof kammer im Münz- und Bergwesen, Wien, vom 17. 2. 1808 berichtet, daß die Fronabrechnung des Steinkohle- und Alaunwerkes Großau, Inhaber Josef Höninger, nicht richtig wäre. Weiters liegt eine Note aus dem Jahre 1809 vor, in der die Bergleute Aloisius Tischerin aus Krain, Georg Eder unter der Herrschaft Waidhofen a. d. Ybbs, Josef Kolb und Josef Rauscher aus Platten/Böhmen vom Militärdienst freigebeten werden 4). Im Jahre 1833 erhielten folgende Personen um das Haus des Bauern Georg Tesch nächst Großau die Schürferlaubnis: Gewerkin Theresia Gusmann, die Leopold Mayerschen Erben Karl, Regina, Aloisia Mayer und Maria Seidl geb. Mayer 5).

Karl Göttmann, königlicher Beamter, Schürfungskommissär, der im Jahre 1838 im Auftrag der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft u. a. den Großauer Kohlenbergbau befahren hat, hält in seinem Bericht fest, daß "die Großauer Kohlengruben gegenwärtig in Folge der Zahlungsunfähigkeit der Gewerkschaft zum Verkauf angebothen sind; es ist jedoch zu vermuthen, daß bei der allgemeinen großen Nachfrage nach Kohlen dieses Grubengebäude um einen höheren Preis losgeschlagen werden wird, als dieß mit dem noch ganz im Freien befindlichen großen Terrain, der ringsum das Ansitzen neuer Gewerkschaften zuläßt, im Einklang steht, weßhalb ich auch nur für den Fall zum Ankauf anrathen würde, wenn der Verkaufspreis nicht 2000 fr. CM übersteigt" 6).

Daß es in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts eine Blütezeit gegeben hat, zeigen nicht nur die nüchternen Produktionszahlen, sondern auch die Hinweise auf Feierlichkeiten, wie z. B. am 3. 9.1843: "Gestern war in dem Steinkohlebergwerk Großau die Weihe der Bergglocke und des Schachtes, wobei sehr viele von der Stadt geladen waren. Es wurde diese Feierlichkeit auf das prompteste vollzogen und auch wacker gezecht. Böllerschüsse nahmen kein Ende, bis die Gesellschaft, welche nicht unbedeutend war, nachts zwischen 9.00 und 10.00 Uhr den Platz verließ und nach Hause ging. Bei diesem Böllerschießen ereignete sich das Unglück, als schon alles weg war, daß eine Weibsperson ihr Leben einbüßen mußte ... Auch geschah bei der Rückkehr der Gäste durch die schweren Köpfe mancher übler Unfall, was rein nur der Wein verursachte." 7)

Weiters fand am 4.12. 1845 eine Barbarafeier statt, die wie folgt Mayr widergibt: "Am Barbaratag wurde von den beiden Steinkohlenbergwerken Hinterholz (Anm.: Gemeindegebiet Ybbsitz) und Grossau das übliche Fest gefeiert. Die von Hinterholz, 180 Köpfe stark, hielten ihren Einzug in Ybbsitz, und die von Grossau auf der Zell, welche auch bei 60 Mann stark waren. Die Bergmannschaft wurde auf das eleganteste neu montiert, und jede Bergmannschaft hatte ihr eigenes montiertes Musikbanda, welche mit Extrafederbusch sich auszeichnete. Der Steiger mit Silberborte wie die Korporales ausgezeichnet und in Rotten wie beim Militär eingeteilt. Es war wirklich hübsch anzusehen." 8) Während dieser Zeit waren die Gruben im Besitz des Alois Miesbach.

Nach dem Tode Alois Miesbachs im Jahre 1857 übernahm sein Neffe Heinrich Dräsche u. a. auch die Baue in Großau und verkaufte diese später an Dr. Johann Kuso. 9) Der Miesbachsche Grubenbesitz ging zwischen dem Hauserkogel und dem Großauer Sattel um. Das Direktionsgebäude stand auf dem sogenannten Fürstenöder Grund. 10)

Der Niedergang des Bergbaues begann sich nach den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts abzuzeichnen. Dr. A. Ruttner von der Geologischen Bundesanstalt in Wien hält in einem Bericht aus dem Jahre 1949 fest, daß im Jahre 1876 als Gründe für die Tatsache, daß seit dem Erliegen des Großauer Bergbaues keinerlei ernste Versuche einer Wiederaufnahme unternommen worden sind, Wasserschwierigkeiten und die ungünstige Verkehrslage (sieben Kilometer Luftlinie zum Bahnhof Waidhofen/Ybbs) angegeben worden sind. Ruttner führt weiter aus, daß sich der alte Bergbau zwischen Ortmühl im Osten und dem kleinen Ramingbach im Westen bewegte. Die meisten Einbaue dieser Bergbautätigkeit befanden sich in den Gräben westlich und östlich des Wirtshauses Großau sowie in der unmittelbaren Umgebung des Maigrabens.

Versuche, den Bergbau wieder zu aktivieren, gab es immer wieder. So betrieb neben Mosco de Majo der Kinobesitzer Karner aus Amstetten im Jahre 1919 im kleinen Maßstab einen Bergbau. Diese Tätigkeit wurde jedoch wegen Geldschwierigkeiten eingestellt. 11)

Dipl.-Ing. Roland Malyjurek hält im Jahre 1947 in einem Bericht über die Untersuchung der Auswertbarkeit der Großauer Steinkohleflöze fest, daß der Altbauer Fürst erwähnt habe, seine Familie sei um 1870 am Kohlentransport mittels Roßfuhrwerken nach Wallsee beteiligt gewesen.

Malyjurek war einer jener optimistischen Bergingenieure nach dem 2. Weltkrieg, die sich bemühten, unter anderem das Kohlebergwerk in Großau wieder zu aktivieren. So schreibt dieser in einem Brief vom 19.1. 1948 an Dipl.-Ing. Lechner, daß die Bemühungen und Vorbereitungen zur Finanzierung Großau unbeirrt weiterliefen. Es kam jedoch nicht zum Abbau des Kohlelagers.

Ein Aufflackern gab es noch im Jahre 1949 durch Herrn Ortner aus Waidhofen/Ybbs, der in einem Brief an Dr. Ruttner (Geologische Bundesanstalt Wien) schreibt, daß er unweit vom Gut Oed, in der Nähe des

Ziegelofens, ein Gesenk 2X1,30 Meter, dem Ausbiß folgend, vorangetrieben und Freischürfe von Ortmühl bis Soos gelegt habe. Die hereingewonnene Kohle wurde bis zum Haus Bichl gefördert.

Wie heißt es in der Legende? "... bis ein Wassereinbruch in der Grube das Kohleführen beendete." So war auch das Bergbauschicksal in Großau besiegelt.

Anmerkungen:

1) MALYIJUREK Rudolf: Ybbstaler Kohlenbergbau, Jahr der Einstellung, in: Waidhofner Heimatblätter, 6. Jahrgang, 1980, S. 41.

2) FICHNA Fritz: Unveröffentlichter Bericht der Geologischen Bundesanstalt Wien, 1948.

3) STERNBACH Gottfried: Das Kohlengebiet in den nordöstlichen Alpen, im Jahrbuch der k. k. geolog. Anstalt, 15. Band, 1865,1. Heft, Wien.

4) Landesarchiv OÖ, Eisenobmanngewerkschaftsarchiv.

5) detto.

6) GÖTTMANN Karl: Beschreibung der vorzüglichsten Steinkohlenbergbaue in Ungarn und Österreich, Hofkammerarchiv Wien, H. sehr. 353/a.

7) MAYR Theodor, aus den Chroniken der Stadt WIY 1839-1847, Seite 102.

8) ebenda, Seite 103.

9) LIPOLD M. V., Das Kohlengebiet in den nordöstlichen Alpen, in: Jahrbuch der K. K. geologischen Reichs-Anstalt, I.Heft, 1863-1864, Seite 54.

10) Topographie von NÖ, 6. Bd., Wien 1909.

11) ZINNER E., Brief über Kohlenbergbau im Gemeindegebiet Ertl, 8. April 1938.

Das Kohlevorkommen Grossau - Maria Neustift

Legende zur Geologischen Karte

Abb. 1: Geologische Karte des Gemeindegebietes von Ertl l :25.000 von K. Decker, M. Esterlus & W. Pavlik (1989-92, etwas vereinfacht); Flyschzone nach alten Unterlagen, Grestener Klippenzone und Nördliche Kalkalpen mit Randcenoman neu aufgenommen für das Projekt "Naturraumpotential Amstetten-Waidhofen/Ybbs").

Topographie vervielfältigt mit Genehmigung des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen (Landesaufnahme) in Wien. Zl. L 70087/92

Abb. 3: Alte Grubenkarte des Glanzbraunkohlenbergbaues Grossau (aus dem Lagerstättenarchiv der Geologischen Bundesanstalt, FA Rohstoffgeologie).

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