Die Nachkriegszeit

Zwei Tage, bevor am 8. Mai 1945 der 2. Weltkrieg zu Ende ging, kamen rund 200 Soldaten der deutschen Wehrmacht in unsere Gemeinde. Sie setzten sich aber bei Kriegsende wieder ab. Bereits am 9. Mai kamen die ersten russischen Besatzungstruppen nach Ertl.

Beim Gasthaus Wendtner wurde im September 1945 ein Schlagbaum für die Personen- und Warenkontrolle durch die russischen Truppen errichtet. Schließlich quartierten sich diese Truppen ab 14. 11. 1945 im Gasthaus Wendtner ein. Weitere Quartiere wurden später beim Gasthaus Schlager, Ertl 3, Gasthaus Großalber, Ertl 65, im Pfarrhof und in den Häusern Schmied, Ertl 7, und Harbinger, Ertl 8, bezogen. Die Besatzer waren anfangs unumschränkte Herrscher, was alle zu spüren bekamen. In dieser schweren und bereits lang andauernden Notzeit fehlte es oftmals an den notwendigsten Dingen. Die Besatzer hatten es da leicht, denn die bekamen die Zuweisungen durch ihre Dienststellen, funktionierte dies nicht, nahmen sie sich einfach alles was sie fanden. Besonderes Augenmerk wurde auf Uhren und Schmuck gelegt und alles mitgenommen was sie fanden.

Die ansässigen Schuster (Veit, Ertl 176, und Wasinger, Ertl 20) und Schneider (Harbinger, Ertl 8, Härtung, Ertl 60, und Bachler, 71) hatten durch die Besatzer viel Arbeit. Denn das von diesen Handwerkern in bester Qualität hergestellte Schuhwerk und Gewand war auch für diese angenehm zu tragen.

Eine besonders schwere Zeit war es für junge Frauen und Mädchen, da die Besatzer auch vor Vergewaltigungen nicht zurückschreckten. Ein weiteres Problem war ganz einfach die Brutalität und Unberechenbarkeit in jeder Hinsicht. Sei es Diebstahl, Raub, Körperverletzung usw. Um hier zumindest nichts unversucht zu lassen, wurde auch in unserer Gemeinde durch Bürgermeister Anton Kügler eine Ortspolizei installiert. Diese wurde aus bereits aus dem Krieg heimgekehrten Soldaten und aus älteren Herren, welche nicht mehr zum Kriegsdienst eingezogen wurden, gebildet. Da keine Bewaffnung erfolgen durfte, konnten diese Ortspolizisten den Russen in keiner Weise Paroli bieten. Zudem kam, daß Soldaten, welche den Krieg oder gar die Kriege (1. und 2. Weltkrieg) "lediglich" mit Verwundungen überstanden haben und endlich zu Hause waren, neuerlich großen Gefahren ausgesetzt waren. Auf diese wurde auch gezielt geschossen, wobei es glücklicherweise nur Leichtverletzte zu beklagen gab. So wurden bald keine Ortspolizisten mehr gefunden und mußte dieses Unternehmen wieder eingestellt werden.

Neben diesen großen Gefahren war weiterhin eine schwere Notlage für die gesamte Bevölkerung allgegenwärtig. Welche für uns, die diese Zeit glücklicherweise nicht mehr erleben mußten, unvorstellbar war. Alles war nur mit Lebensmittelkarten bzw. Bezugsschein erhältlich. So mußten bei einer Hochzeit Lebensmittelkarten oder gleich Lebensmittel zum Wirt gebracht werden, damit dieser überhaupt eine Hochzeitstafel ausstellen konnte.

Wollte man beispielsweise einen Pullover kaufen, war vorher ein kleiner "Hindernislauf" zu bewältigen. Am Gemeindeamt mußte ein Kaufantrag gestellt und vom Bürgermeister die "Notwendigkeit" bestätigt werden. Das Wirtschaft- bzw. Ernährungsamt mit dem Sitz in Amstetten stellte daraufhin einen Bezugsschein aus. Damit konnte schließlich im Geschäft ein Pullover gekauft werden. War dieser Pullover bereits verkauft und erfolgte nicht bald eine Nachlieferung, was oftmals vorkam, mußte die ganze Prozedur neuerlich gemacht werden.

Für die Städter war die Situation wegen der noch mehr fehlenden Lebensmittel und der geringen Rationen noch schwieriger. Diese kamen daher aufs Land, auch in unsere Gemeinde, und kauften "illegal" bei den Bauern ein. Diese illegalen Einkäufe nannte man "Hamsterkäufe", daher bekamen diese auch bald den Beinamen "Hamsterer".

Diese schwierige Zeit verbesserte sich zusehends. Im Jahre 1948 wurde schließlich ein Großteil der Rationierungen wieder aufgehoben. Im Mai 1948 zogen die russischen Besatzungstruppen aus unserer Gemeinde wieder ab. Durch den Fleiß der gesamten Bevölkerung verbesserte sich die wirtschaftliche und damit auch die politische Situation zusehends. Allmählich war auch die Versorgung mit den notwendigen Gütern des täglichen Lebens gewährleistet.

PA