40 Jahre Elektrifizierung

Im Juni 1947 fanden sich aus unserer Gemeinde, aus St. Peter/Au-Dorf und aus St. Michael/Br. rund 60 Männer zusammen, um die Elektrifizierung in diesen Gebieten zu realisieren.

Ein vehementer Befürworter war Herr David Panstingl, Unternehmer und Landwirt in Ertl 15. Daher wurde er auch gleich zum Vorsitzenden des neu gebildeten Lichtausschusses gewählt. Diese Pioniere leisteten bereits im Jahr 1947 eine Anzahlung für den Leitungsbau in Höhe von S 123.000,- an die Firma Ing. Loiskandl & Ing. Niedermayer, Elektrobauunternehmen, in Wien. Dieses Unternehmen war von den umliegenden Gemeinden, welche die Elektrifizierung bereits begonnen hatten, bekannt.

Die anfängliche Euphorie wurde durch Lieferverzögerungen bzw. Liefervertröstungen gleich erheblich beeinträchtigt. Erst im Jahre 1948 wurde der erste Leitungsdraht nach Ertl geliefert. Die vereinbarte Trassierung der Hochspannungs-Freileitung kam jedoch nicht mehr zustande.

Seitens der Lichtausschußmitglieder wurden alle Vereinbarungen (auch die Lebensmittellieferungen) eingehalten. Das Unternehmen kam trotzdem in finanzielle Schwierigkeiten und schrieb lediglich "schöne" Briefe nach Ertl. Gearbeitet (Trassierung usw.) wurde jedoch nicht. Da dieser Umstand untragbar war, haben am 31. Juli 1947 die Lichtausschußmitglieder den einstimmigen Beschluß gefaßt, die Zusammenarbeit mit diesem Unternehmen aufzukündigen und die geleistete Anzahlung zurückzufordern. Das Rückforderungsgesuch wurde, wie zu erwarten war, jedoch nicht erhört. Zwischenzeitlich gab es auch bei den umliegenden Gemeinden mit diesem Unternehmen größere Probleme. Als letztes suchte man Hilfe bei Politikern und der NO Landesverwaltung. Mit deren Unterstützung und der Erkenntnis, daß eine Geldrückgabe praktisch aussichtslos ist, konnte in langwierigen Verhandlungen ein Vergleich geschlossen werden. Herr Ing. Loiskandl wurde angeblich wegen Übertretung der Preisgesetze und Vereinbarung von Lebensmittellieferungen in Amstetten verhaftet.

Die finanzielle Situation aller Beteiligten war durch die Währungsreform, welche einen Geldumtausch von 3:1 vorschrieb, besonders angespannt. Bürgermeister Franz Panstingl versuchte zusätzliche Geldmittel bei den Bundes- und Landesstellen in Form von Beihilfen und günstigen Darlehen aufzutreiben.

Im Juni 1951 entschloß sich der Lichtausschuß schließlich, mit der etwas umbenannten Firma Dipl.-Ing. Mohr & Loiskandl, Elektrobauunternehmen, Wien II, unter strenger Kontrolle vor Ort und durch das Land Niederösterreich, die Elektrifizierung in Teilen der Gemeinde St. Peter/Au-Dorf, St. Michael/Br. und Ertl, den Bereich von Bruckbach bis zu den Häusern Graben - Inn. Steinriegl, durchzuführen. Diese Lichtgemeinschaft nannte sich "St. Michael-Ertl". Mit großem Eifer wurden durch die Lichtgemeinschaft die erforderlichen Holzmasten geschlägert und imprägniert. Das Imprägniermittel war sehr giftig, sodaß besondere Vorsicht geboten war. Von den Arbeitern wurde sogar die schriftliche Erklärung verlangt, daß keinesfalls Kinder mit den Masten oder dem Imprägniermittel in Berührung kommen dürfen und die Masten anfangs abzudecken seien.

Die gemauerten Trafostationen wurden in Zusammenarbeit mit der Firma Melchiort, St. Peter/Au, hergestellt. Durch den großen Arbeitseinsatz der Mitglieder der Lichtgemeinschaft, welche zwischenzeitlich auf 129 angewachsen ist, war ein zügiger Baufortschritt gegeben.

Bereits am 19. Oktober 1952 konnte dieses Stromversorgungsnetz im Rahmen einer großen "Lichtfeier" im sehr schön geschmückten Ort Ertl, an der auch Nationalrat Franz Mayrhofer teilnahm, seiner Bestimmung übergeben werden. Dadurch war der Startschuß für eine damals unabsehbare Modernisierung in beinahe allen Lebens- und Arbeitsbereichen gegeben.

Einige Herren, die bereits bei den Bemühungen 1947 mitwirkten, jedoch noch nicht am Stromnetz angeschlossen waren (der Bereich südlich der Häuser Graben bzw. Inn. Streinriegl), ließen nichts unversucht, daß auch hier eine Stromversorgung installiert wird.

Herr Peter Großalber, Wagnermeister in Ertl 61, versammelte einen Lichtausschuß im Gasthaus Großalber. Diese 2. Lichtgemeinschaft wurde "Ertl-Süd" genannt. In diesem Bauabschnitt waren auch Teile der Gemeinde Waidhofen/Ybbs-Land, und zwar der angrenzende Bereich KG Konradsheim und St. Georgen/Klaus, integriert. Im Jahr 1953 konnte durch Bürgermeister Franz Panstingl ein Übereinkommen mit der NEWAG (gegründet 1922!) zur Elektrifizierung dieses Bereiches unter Dach und Fach gebracht werden. Nachdem die rechtlichen Voraussetzungen gegeben waren (im Jahre 1948 war dies noch nicht so genau geregelt), wurde wiederum die Firma Dipl.-Ing. Mohr-Loiskandl mit der Weiterführung der Bauarbeiten beauftragt. Allmählich traten immer mehr Hausbesitzer der Lichtgemeinschaft bei. Nachdem dieser 2. Bauabschnitt ebenfalls in kurzer Bauzeit ausgeführt wurde, konnte die 2. Lichtfeier im Gasthaus Großalber stattfinden.

Die Gesamtkosten des Lichtbaues betrugen S 1,912.749,88, wovon rund 1 Mio. Schilling durch Interessentenbeiträge aufgebracht wurde. Die restlichen Kosten wurden durch Beihilfen und Darlehen des Landes NO abgedeckt. Die Rückzahlung war innerhalb von 50 Jahren, welche durch die neuen Anschlußwerber durch deren Anschlußgebühr erfolgen sollte, vorgesehen. Dies wurde bis in die siebziger Jahre auch so praktiziert. Dann übernahm die NEWAG diese Darlehen und hebt seit dieser Zeit auch die Anschlußgebühren ein. Die Häuser, welche bei diesen Ausbauten nicht mitmachten, schlössen ebenfalls in den folgenden Jahren am Stromnetz an, sodaß in den sechziger Jahren praktisch die Vollversorgung mit elektrischer Energie in unserer Gemeinde gegeben war.

PA